Ein Weihnachtsfest (fast) ohne Geschenke

von Daniela Transiskus

Skier, Bücher,  MP3-Player, iPads, Lego und Bauklötze  – während die Geschenke  vieler Kinder kaum mehr Platz finden  unter dem Christbaum, fällt  das Fest der Liebe für die sechs Geschwister  Jennifer, Jessica, Linus,  Matteo, Luna und Kaya eher  schmal aus. Ihre Eltern beziehen  Hartz IV, da bleiben kaum etwas übrig für Kleinigkeiten, die Kinderherzen höher schlagen lassen.

Familie F. (alle Namen der Familienmitglieder  geändert) hat sich schon  darauf eingerichtet: Einen Christbaum  gibt’s heuer nicht. Zu teuer.  Auch ein üppiges Festmahl ist nicht  drin oder ein Kurzurlaub in den Bergen.  „Urlaub?“ Katrin F. (34) lacht  freudlos. „Den hatten wir genau einmal:  2006. Da haben wir auf der Wiese  eines Bauern, den wir kennen, eine  Woche gezeltet.“

Die achtköpfige Familie ist an das  Gefühl gewöhnt, dass Geld knapp ist,  dass man jeden Cent drei Mal umdreht,  bevor man ihn ausgibt: Als sich  Katrin F. von ihrem Ex-Mann, dem  Vater der beiden ältesten Töchter  Jennifer (15) und Jessica (11), trennte  und er keinen Unterhalt zahlte,  rutschte die junge Frau, die zuvor als  Tierzüchterin tätig war, in Hartz IV.  Ihr neuer Mann Claudio (29), mit  dem sie Linus (5), Matteo (4), Luna  (2) und Kaya (sieben Monate) hat,  verlor seinen Job als Paketfahrer und  bezieht seitdem ebenfalls Hartz IV.

1500 Euro für acht Personen

Gut 1500 Euro hat die Familie nach  Abzug der Miete im Monat zur Verfügung  – zu acht. Allein sind die acht  mit diesem Schicksal nicht, auch  wenn es sich im reichen Landkreis  Ravensburg oft so anfühlt. Insgesamt  gibt es hier 8100 Arbeitslosengeld-II-Empfänger,  davon rund 920 Alleinerziehende  und über 2300 Kinder unter  15 Jahren.

Bei Familie F. ist es vor allem die  Älteste, Jennifer, die mit jeder Menge  Wünsche aufwartet: Ihre Klassenkameraden  hätten Handys, MP3-Player,  ganz bestimmte Klamotten, Schuhe  und Schultaschen, erzählt sie.  „Mama, wann fahren wir mal in den  Urlaub?“ hat sich Jennifer in der Vergangenheit  auch schon erkundigt.  Das Meer hat die 15-Jährige noch nie  gesehen, ein Flugzeug von innen  ebenfalls nicht.

„Viele Kinder bringen auch Sachen  aus dem Urlaub in die Schule  mit“, sagt Katrin F. Das seien dann  keine teuren Dinge, sondern zum  Beispiel selbstgesammelte Muscheln.  Solche Sachen hätten für Kinder  manchmal einen höheren Wert  als hochpreisiges Spielzeug. „Aber  auch Muschelsammeln können wir  unseren Kindern nicht bieten.“ Auf  schöne Erinnerungen wie einen palmengesäumten  Strand oder einen  Kamelritt müssen ihre sechs Kleinen  ebenfalls verzichten.

Aber um den großen Badeurlaub  am Meer geht es der jungen Mutter  gar nicht. Selbst Schulfreizeiten für  140 Euro pro Woche seien nicht drin.  Auch das Freibad, das im Sommer  lockte, war höchstens alle vier Tage  möglich. „Es ist schwer, den Kindern  permanent zu vermitteln, dass man  sich dies und das und jenes nicht leisten  kann“, sagt Katrin F.

Gerade die Kleineren verstünden  das häufig nicht. „Im Kindergarten  darf einmal im Monat Spielzeug von  zu Hause mitgebracht werden“, erzählt  Katrin F. Ihre Stimme klingt  verzweifelt. „Da kommen Kinder mit  Riesentraktoren an und trumpfen  damit auf. Das ist doch völlig übertrieben!“  Ihre Kinder bringen schon  lange nichts mehr in den Kindergarten  mit.

Aber nicht nur Luxuswünsche  wie Urlaub oder Spielsachen bleiben  bei Familie F. Wunschträume. Auch  die Förderung der Kinder bleibt auf  der Strecke. Jessica etwa hat Schwierigkeiten  in Mathe und Deutsch.  Aber für Nachhilfe fehlt das Geld.  Ganz anders Jennifer: Sie ist ein As in  der Schule, möchte Physiotherapeutin  werden. Aber nach Angaben der  Mutter ist der Job während der Lehrjahre  kostenintensiv. „Wie wir das  machen sollen – keine Ahnung.“

Obwohl die Kinder auf viel verzichten  müssen, ist die junge Mutter  mit der Entwicklung ihrer Bande  sehr zufrieden. „Sie sind alle sehr sozial  eingestellt, Jessica etwa will Polizistin  werden, Matteo mit seinen vier  Jahren sagt jetzt schon, dass er mal  sein will wie sein Kinderarzt.“

Vieles, was andere für Geld kaufen,  basteln sich die kreativen Kinder  selbst. Eine Krippe etwa, die sie aus  Abfallholz einer Zimmerei anfertigten.  Oder den Adventskranz, für den  sie im Wald Äste auflasen. Oder ein  Regal, damit man sich den Schrank  nicht mit der Schwester teilen muss.

Aber bei aller Kreativität: Die eigenen  Weihnachtsgeschenke können  sich die Kinder nicht selbst basteln.  Und weil auch die Agentur für  Arbeit kein Weihnachtsgeld auszahlt,  freut sich auch Familie F. über  die „Wunschbaumaktion“ (siehe  Kasten). Jessica wünscht sich ein  Speckstein-Schleifset, Linus und  Matteo je eine Kleinigkeit von Lego,  Luna ein Malbuch und Kaya soll ein  Fotoalbum bekommen, damit die Eltern  ein paar Bilder einkleben können.  Die Älteste, Jennifer, ist mit ihren  15 Jahren leider von der Aktion  ausgeschlossen.

Von den Eltern selbst werden die  Kinder wenig bis gar nichts bekommen.  „Vielleicht nächstes Jahr“,  seufzt Katrin F., „wenn mein Mann  wieder einen Job gefunden hat.“

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